Heft 18 ist erschienen.

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António Duarte Gomes Leal
Aus den Wilden Thesen: Der Suizid schreitet voran.

 

Zur Zeit des Minnesangs und irrender Spielleute,
die Stadtbürger besuchten oder die Herren von Lehen
und dort galante Oden auf provenzalisch reimten,
brachte man sich nur um – der Kunst oder Liebe wegen.

Doch in der Zeit der Ziffer und der Verstandeskälte,
da teuer ist die Kuh und Schlächter sind die Weisen,
gibt’s keine Feen mehr noch tragisch-galante Leiden.
Es bringt der Mensch sich um bei Gaslicht und Tageshelle.

Er tut’s in Kahn und Zug, auf Dampfern, Haufen Mülls,
in Hain und Pinienwald, auf einer düstern Trift
und jubelt um das Brot unterm Galgen und im Morast.

Den Trauerweiden singt der Bach, auf Kies, durch Gräser;
flaumweiße Fröhlichkeit berauscht beinahe die Nester.
Auf seines Sofas Blau lacht Helios, Bourgeois.

 

(Originaltitel: O Suicidio progride)

 

 

António Duarte Gomes Leal
Aus den Wilden Thesen: Das Ende der Wissenschaft

 

In Form, in Raum und Zeit wohnt unser Unbewußtes
und ist so wie wir selber: ein gefangener Geist.
Es drängt uns, ihm zu sein ein guter, milder Bruder,
doch mit dem Ziel: Bewußtheit, Prinzip, lebendiges Sein.

Der Antichrist verwarf dies, von innerer Glut gereizt, –
verlachte schamlos alles und stampfte drauf mit Fußtritt.
Gott, Himmel, Reinheit, Liebe – er opferte der tumben
Wissenschaft alles: dem Fetisch, der unzugänglich bleibt.

Doch in der rohen Stunde der letzten Kataklysmen,
als alles mit Getöse in die Abgründe stürzte,
da lag sie tot zu Füßen von Hiob und von Faust.

Er hob den letzten Schädel, die Wissenschaft, aus dem Morast.
Er küßte sie mit Glut, reinigte sie vom Schlamm
und sah in seinen Händen … ein paar Knochen und Staub.

 

(Originaltitel: O Fim da Siencia)

 

Übertragung beider Gedichte aus dem Portugiesischen: Cornelius van Alsum.
Siehe auch den Beitrag in Heft 16 (S. 15).

 

Die hier gebotene deutsche Übertragung von O Suicidio progride ist von Daniel Ableev vertont worden, teilweise mit Hilfe Künstlicher Intelligenz. Seine Komposition steht damit in einem besonders interessanten Spannungsverhältnis zum Werk Gomes Leals, weil der portugiesische Dichter den wissenschaftlichen Fortschritt seiner Zeit in den „Wilden Thesen“ vehement bekämpfte.

Hier geht es zu Daniel Ableevs Komposition Leality 1:

Eine weitere Komposition von ihm, Leals Chrysanthrumen, bezieht sich auf das Gedicht Chrysanthemos. Madrigal bizarro aus den Claridades do Sul. Die deutsche Übersetzung stammt wiederum von Cornelius van Alsum.

Alle Rechte an den Kompositionen liegen beim Komponisten, an den Übersetzungen beim Übersetzer.

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